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Schneeschuhwandern

Die Entdeckung der Langsamkeit

Eine Geschichte einer passionierten Skifahrerin, die - wenn auch etwas widerwillig - das Schneeschuhwandern ausprobiert und eine neue Liebe gefunden hat. 

Freunde von mir wollen Schneeschuhwandern gehen. Sie wollen, dass ich mitkomme. Schneeschuhwandern? Ich wusste, dass es Menschen gibt, die so etwas tun. Nun, wir leben in einem freien Land. Es gibt ja auch Menschen, die mit Stöcken durch den Wald spazieren und es neudeutsch Walken nennen, anstatt einfach nur Joggen zu gehen. Aber Schneeschuhwandern? Nichts für mich, denke ich mir. „Sorry, aber ich bin Skifahrerin“, sage ich meinen Freunden. Früher bin ich Rennen gefahren. Ich war sogar einmal Zweite, im Slalom. Es gibt ein Foto, auf dem ich stolz einen Pokal in die Höhe halte, der fast so groß ist wie ich. Skifahren steckt in meiner DNA. Meine Eltern fuhren Ski, meine Großeltern auch. Skifahren ist mein Ein und Alles, meine große Liebe. Ich genieße kaum etwas so sehr, wie bergab zu fahren. Warum soll ich mich bergauf quälen?
Nichts zu machen. Meine Freunde zerren mich mit. Zumindest sehen diese Schneeschuhe heute tatsächlich nicht mehr wie Tennisschläger aus, denke ich mir, während ich mir welche überspanne. Die sind federleicht, merke ich. Ich hatte mir schwere Ungetüme vorgestellt. Dann gehen wir los. Vielmehr: Die anderen gehen. Ich stolpere. Lande mit dem Gesicht im Schnee. „Da schau, unsere Skifahrerin“, rufen meine Freunde und lachen. Na wartet. Mein Ehrgeiz ist geweckt.
Ich laufe den anderen hinterher. Zuerst in Sorge, mit den Geräten unter meinen Füßen an einer eingeschneiten Baumwurzel hängen zu bleiben. Doch ich bleibe nicht hängen, sondern finde meinen Rhythmus. Die Steigung nimmt zu, ich höre das regelmäßige Knirschen meiner Schritte im Schnee, meinen angestrengten, aber gleichmäßigen Atem, meinen Herzschlag. Bald wird mir das Schneeschuhgehen zur Meditation. Ich genieße die Langsamkeit. Ich, die ehemalige Rennfahrerin!
Oberhalb der Baumgrenze: glänzendes, endloses Weiß. Kurz nehme ich meine Sonnenbrille ab und bin von der Wintersonne geblendet, sie treibt mir Tränchen in die zusammengekniffenen Augen. Bald erreichen wir die Almhütte. Es ist ruhig hier oben. Keine Skilifte, keine Menschenmassen. Ich merke, wie hungrig ich bin. Ich dachte nicht, dass Schneeschuhwandern so anstrengend und erfüllend zugleich sein kann. Nur mein fordernd knurrender Magen stört die Bergruhe. Wir packen unsere Speckbrote aus, unsere Thermosflaschen mit Tee. Als ich die Schneeschuhe abschnalle, tappe ich wackelig und unbeholfen weiter.
„Und nächstes Wochenende?“, fragen meine Freunde. Ich grübele nach. Vielleicht ist es Zeit, eine neue Liebschaft zu wagen. Zumindest eine zweite neben dem Bergabfahren. „Nächstes Wochenende? Gehen wir wieder Schneeschuhwandern“, sage ich und proste den anderen mit meinem Thermosflaschendeckel zu.


Auszug aus: COR 2 - The Local Magazine
Text: Debora Nischler 
Redaktion: Ex Libris, Bozen
Jahr der Veröffentlichung: 2019

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